Tück: Glaube kann der Zukunftsangst entgegenwirken
Der biblische Glaube kann "Wege aus der Angst" öffnen, insofern er im Kern auf eine positive Zukunft für den Menschen und Gerechtigkeit für die Leidenden ausgerichtet ist: Das hat der Wiener Dogmatiker Prof. Jan-Heiner Tück im Rahmen eines Vortrags am Dienstag bei den "Salzburger Hochschulwochen" unterstrichen. An diese Grundüberzeugung des christlichen Glaubens müsse man gerade angesichts eines vermehrt destruktiven Zukunftsblicks immer wieder erinnern: Wo früher Zukunft positiv aufgeladen war, sei sie heute für viele Menschen zur "Dystopie" verkommen. Das Versprechen, dass es in der Zukunft besser werde, sei hohl geworden - und die Hoffnung auf Gerechtigkeit sei für viele Menschen "unter der Leidensgeschichte verschüttet" und bis zur Unkenntlichkeit entstellt.
Die Theologie könne zwar keine Allheilmittel gegen die Angst zur Verfügung stellen, aber doch darauf hinweisen, dass es "Überhangfragen in der Geschichte" gibt, die "ins Eschatologische" hineinreichen, sprich: Es gibt weiterhin die Hoffnung, dass diese Welt und diese Geschichte nicht das letzte Wort hat, dass "Leid gerechtfertigt und Täter zur Rechenschaft gezogen werden". Gott sei ein wesentlicher Träger dieser Hoffnung und zugleich jener Dreh- und Angelpunkt, an dem aus dieser Hoffnung ein konkretes Befreiungshandeln werden könne, so der Theologe. "Hoffnung hat Rückkopplungseffekte in die Praxis".
Dass diese religiös imprägnierte Hoffnung dennoch zweischneidig bleibe, demonstrierte Tück am Beispiel des Dschihadismus bzw. des dschihadistischen Terrors: Wo sich dieser an religiöse Überzeugungen rückbinde und eine dezidiert theologische Deutung durch die Attentäter erfahre, müsse man diesen theologischen Konnex ernst nehmen und die Quellen dieser dunklen Theologie offenlegen und darüber aufklären.
Zweifel äußerte Tück daran, ob die totale Transparenz und Überwachung und der gleichzeitige Rückbau etwa von demokratischen Standards wie der Gewaltenteilung die richtige Antwort auf virulente Gefahren und auch Ängste sei: Die massive Steigerung der Sicherheitsmaßnahmen gehe schließlich mit einem Verlust an individueller wie gesellschaftlicher Freiheit einher - und wo immer Standards wie die Gewaltenteilung im Namen der Sicherheit oder einer anderen politischen Agenda unterlaufen werden, müsse man auch als Kirche offen Position beziehen und Einspruch erheben. "Allerhöchste Skepsis ist auch dann angesagt, wenn Politiker ihre Politik als Instrument der göttlichen Vorsehung deklarieren", so Tück unter Verweis auf Aussagen des US-Außenministers Mike Pompeo. Politik wie das Leben insgesamt spiele "immer in der Sphäre des Vorletzen" und nicht in jener der letzten, Gott vorbehaltenen Dinge - auch dies eine Lehre, die man einer zeitgemäßen kritischen Theologie entnehmen könne.
Autor: Henning Klingen