P. Max Cappabianca: Habt ihr das alles verstanden? (Mt 13,51)
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Liebe Schwestern und Brüder,
in dem heutigen Evangelium ist mir eine Äußerung Jesu sofort ins Auge gestochen. Er mal ja mal wieder dabei, ein Gleichnis zu erzählen und mittlerweile bei den Fischernetzen angekommen und den guten und schlechten Fischen. Da plötzlich fragt Jesus seine Jünger: „Habt ihr das alles verstanden?“ Das hat mich verblüfft, denn man ist doch gewohnt - überspitzt formuliert -, dass Jesus so vor sich „hinverkündigt“ und sich wenig darum kümmert, ob er verstanden wird oder nicht. Ob er in dem Moment wohl an sich zweifelt, die richtigen Worte gewählt zu haben? Oder ist es eher ein Vorwurf an die Jünger: Im Sinne eines „Hört ihr mir überhaupt zu?“
Die Jünger antworten ihm mit einem lapidaren „Ja“. Aber ich habe das Gefühl, dass dieses Ja nicht ganz ehrlich war. Vielleicht wollten sie Jesus in dem Moment nur ruhigstellen!
Diese eigenartige Episode wirft ein Schlaglicht auf die Dialogsituation, in der sich Jesus mit seinen Jüngern befindet. Und sie hat mich an meine Situation als Prediger und Verkündiger erinnert. Auch ich bin ja jemand, der Bilder gebraucht, um Dinge zu erklären. Auch ich möchte mich verständlich machen, und ich verstehe meine Rede als dialogischen Prozess. Aber so einfach ist das gar nicht!
Gestern war ich bei der Diskussionsveranstaltung „Theologie kontrovers“, und da wurde viel über die schlechte Qualität der Predigten geklagt. Nicht nur gestern habe ich gehört, dass Predigten zu einfach und schlicht seien, anderen wieder sind sie zu komplex und abgehoben. Manche bedauern die Ernsthaftigkeit und Schwere. Andere wieder ärgern sich über die Banalität mancher Kanzelreden! Gestern klagte eine Person, dass sie sich in der Predigt nicht das Denken vorschreiben lassen wolle. Und vieles andere mehr….
Gestern habe ich mich da – als Mitglied des Predigerordens – ein wenig „ertappt“ gefühlt und mich gefragt, ob denn mein Wort der Verkündigung „ankommt“ und verständlich ist. Vielleicht waren es solche Gedanken, die Jesus zu der Frage gedrängt haben: „Habt ihr das alles verstanden?“ Und ich würde Sie das am liebsten auch fragen. Und kommen Sie mir nicht mit einem beschwichtigenden „Ja!“.
Nun kann ich nicht behaupten, dass ich niemals ein positives Feedback auf meine Predigten bekommen würde! Aber ich bin realistisch genug zu vermuten, dass die Unzufriedenen nicht zu mir kommen werden. Alle, die im Verkündigungsdienst stehen – oder wie das gestern mit dem hässlichen Wort „Verkündigungspersonal“ bezeichnet wurde – kennen die Erfahrung, wenn Leute einem sagen: „Sie haben wieder so schön gesprochen“; und wenn man dann nachfragt, was den Hörer oder die Hörerin denn so angesprochen habe, dann kommt nicht viel Inhaltliches. Oder sogar: „Sie sprechen so deutlich, man versteht sie so gut!“
Auch passiert es nicht selten, dass Menschen zu einem kommen und mit leuchtenden Augen sagen: „Sie haben so schön über die Hoffnung gepredigt. Das hat mir ganz neu Mut geschenkt.“ Und ich muss krampfhaft darüber nachdenken, wann ich denn über die Hoffnung gepredigt haben soll. Denn eigentlich habe ich nicht über die Hoffnung, sondern über die Liebe – oder meinetwegen den Glauben – gesprochen. Wenn man das zaghaft einwirft, kommt vehementer Widerspruch „Das wissen Sie nicht mehr, Herr Pater?“
Sehr beliebt bei uns Predigern sind auch interessierte Zuhörer, die einen erst einmal für das Gesagte loben; dann aber kritisieren, warum man denn nur über das II. Vatikanische Konzil gepredigt haben, aber nicht über das I., oder das III. Vatikanische Konzil, das ja längst überfällig sei, oder über die Ökumene … und so fort! Auch da wird zaghafter Widerspruch, dass man ja über ein Thema und nicht fünf sprechen wollte, elegant vom Tisch gewischt. Diese anderen Aspekte seien entscheidend wichtig und dürften nicht ausgelassen werden. Diese Leute, die einen dafür kritisieren, worüber man nicht gepredigt hat, sind mir ehrlich gesagt die liebsten.
Sie sehen, wir haben’s nicht leicht. Aber trotzdem ist Predigen eine wundervolle Aufgabe. Das sage ich bewusst als Dominikaner. So wie die Benediktiner – die können auch predigen – ein Gelübde der Stabilitas ablegen, so verstehen wir Dominikaner unsere Profess als Teilhabe am Predigtcharisma des Gesamtordens. Ein Charisma, dass übrigens Brüdern und Schwestern, Laien wie Priestern gleichermaßen verliehen ist. In unterschiedlicher Weise haben wir die Aufgabe, durch unser Wort Zeugnis von unserer Gottsuche abzugeben und von den Erfahrungen, die wir auf unserm Weg mit Gott gemacht haben…
Das ist immer persönlich. Man kann in einer Predigt nicht von seinen Erfahrungen und seiner Persönlichkeit absehen. Es gibt keine „objektiven“ Predigten! Daher ist das, was in den Predigten gesagt wird, so mannigfaltig wie es die Predigerinnen und Prediger sind. Und genauso unterschiedlich wird das Wort von den Zuhörenden verstanden. Es gibt kein „richtiges“ Verständnis einer Predigt. Wenn unser Wort gesagt ist, entlassen wir es aus unserer Verfügungsgewalt und es entfaltet eine eigene Wirkung. Deswegen ist es auch legitim, wenn jemand in einer Predigt etwas herausgehört hat, was vielleicht gar nicht intendiert war!
Von daher stimmt es nicht, Verkündigen als „theologische Komplexitätsreduktion“ zu bezeichnen, wie ich es im Ankündigungstext geschrieben habe. Auch gestern wurde ein solches Verständnis – zurecht – kritisiert. Der Akt der Wortverkündigung ist selbst ein hochkomplexer Prozess, der so mannigfaltig ist, wie die Menschen, die daran beteiligt sind. Das ist nicht nur eine Sache des Kopfes, sondern auch unseres Bauchs und unseres Herzens. Nun glauben wir an den Heiligen Geist, der auf beiden Seiten – auf Seiten des Predigenden wie des Zuhörenden – eine entscheidende Rolle spielt. Das ist ein Charisma, um das man bitten muss. Man kann natürlich auch viel trainieren und an Stimme und Rhetorik feilen. Aber in theologischer Perspektive kommt dem Heiligen Geist die entscheidende Rolle zu.
Nun weht der bekanntlich wo er will, und die Kirche tut sich manchmal schwer, sein Wehen zu kanalisieren. Die Wortverkündigung in der Messe ist bekanntlich Klerikern vorbehalten und das hat auch einen Sinn, denn es braucht m.E. die amtliche Vollmacht, damit bei aller Subjektivität deutlich wird, dass man nicht nur in eigenem Namen spricht. Womit wir beim Problem der Teilhabe am Amt in der Kirche von Frauen sind (und Männern, die nicht geweiht sind, ergänzt nach der Predigt).
Einen Vorschlag des Benediktinerpaters Nikodemus Schnabel aufgreifend, möchte ich fragen, ob diese amtliche Vollmacht zum Predigen an die Priesterweihe gebunden sein muss, denn die ist Frauen ja schließlich – bisher – verwehrt; und das wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern.
Ich weiß, dass es unterschiedliche Theologien der Laienpastoralen Mitarbeiter gibt. Ich denke aber, dass alle, die einen pastoralen Auftrag des Bischofs haben – also den Auftrag, Menschen auf ihrem Glaubensweg zu begleiten – Anteil am Verkündigungsdienst der Kirche haben sollten, und zwar in der Mitte unserer Liturgie: der Eucharistie! In Studierendengemeinde ist ja Gott sei Dank vieles möglich, was in normalen Gemeinden nicht geht. Bei uns in Berlin predigt meine Kollegin Juliane Link hin und wieder, und ich erlebe das als eine große Bereicherung.
Besonders deutlich wurde mir das an den Kar- und Ostertagen 2019, die wir mit einer Gruppe der KSG in Zinnowitz auf Usedom gefeiert haben. Juliane hat in der Karfreitagsliturgie gepredigt (übrigens keine Messe!). Unglaublich viele positive Rückmeldungen gab es darauf. Und nicht nur von der Art „Sie haben so schön gesprochen“, sondern weil sie mit ihrer tiefen Spiritualität und ihrer Sensibilität für menschliche Erfahrungen und für die Verletzlichkeit von Sprache (Glaubens-) Erfahrungen Ausdruck verleihen konnte, die niemand anderes so hätte vermitteln können.
Damals war ich nicht nur stolz auf meine Kollegin, sondern mir ist auch schmerzlich bewusst geworden, welchen Schatzes wir die Verkündigung berauben, weil Frauen (und Männern, die nicht geweiht sind, ergänzt nach der Predigt) offiziell der Predigtdienst versagt ist.
Gehen wir also mutig die nächsten Schritte und vertrauen darauf, dass vielleicht bald schon eine Frau an dieser Stelle als Predigerin der Salzburger Hochschulwochen stehen wird. Amen.
P. Maximiliano I. Cappabianca OP
Institut Marie-Dominique Chenu, Berlin
PS: 2008 hat meine Mitschwester Sr. Jordana Schmidt OP bereits eine Predigt bei der Salzburger Hochschulwoche gehalten. Allerdings durfte die Ansprache nicht als Predigt bezeichnet werden, sondern wurde "Statio" genannt.