Kulturtheoretikerin: Klimawandel ist Katastrophe ohne Ereignis
Keine Bildungsveranstaltung in diesen Tagen ohne das Thema Klimawandel: Das gilt auch für die "Salzburger Hochschulwochen", bei denen sich die Wiener Kulturtheoretikerin und Germanistin Prof. Eva Horn dem Thema über die Frage nach dem Katastrophendenken annäherte. Dabei zeigte sie am Dienstag auf, dass u.a. der Klimawandel als Beispiel einer "Katastrophe ohne Ereignis" begriffen werden könne. Gingen Katastrophenvorstellungen im vergangenen Jahrhundert noch von Szenarien völliger und plötzlicher Zerstörung etwa durch einen Atomkrieg aus, so zeige sich das Erdsystem als sehr resilient und anpassungsfähig.
Das katastrophische Moment bestehe gerade in der schleichenden Verschiebung und in der hohen Komplexität des ökologischen Erdsystems. "Wir leben im Rahmen einer äußerst komplexen Katastrophe, deren dämonisches Moment darin besteht, dass wir nicht auf den 'großen Knall' warten brauchen, sondern dass sich diese Katastrophe in kleinen Schritten vollzieht", so Horn bei ihrem zweiten Vortrag während der heurigen "Salzburger Hochschulwochen", die dem Thema "Die Komplexität der Welt und die Sehnsucht nach Einfachheit" gewidmet sind. "Dass es so weitergeht ist die Katastrophe", zitierte Horn den deutschen Literaturkritiker Walter Benjamin (1892-1940).
Die sogenannten "Erdsystemwissenschaften", die sich mit den vielfältigen Verflechtungen von Klimasystem, Diversität, Veränderungen in biochemischen Prozessen etc. befassen, seien eine noch sehr junge Wissenschaft und würden gerade erst lernen, den Mensch nicht als Gegenüber zur Natur zu verstehen, sondern als wesentlichen Faktor all dieser Veränderungen. Heute sei es daher gerechtfertigt, vom "Anthropozän" zu sprechen, d.h. von einem Zeitalter, in dem der Mensch zu einem bestimmenden Faktor von Veränderungen im Erdsystem weltweit geworden ist.
Prognosen zum Klimawandel seinen aufgrund der Anpassungsfähigkeit des Erdsystems kaum möglich, führte Horn weiter aus - dennoch sei es unzweifelhaft, dass es einen "ökologischen und politischen Systemwandel" brauche, der ein "Handeln jenseits nationaler Interessen und politischer Wahlperioden" ermögliche. Das Dilemma des Menschen bestehe darin, dass er ein wesentlicher Faktor des Wandels im Klima- und Erdsystem ist, zugleich aber das hohe Maß an Komplexität jede Prognose und auch jedes klare Konzept von Fortschritt, Planbarkeit und Kontrolle verunmöglicht.
Quelle: Kathpress