Theologe: Jesus würde selten Selfies verschicken
Jesus würde nur selten Selfies verschicken, hat Martin Dürnberger (37), seit vergangenem Jahr Obmann der Salzburger Hochschulwochen, am Donnerstag in einem Interview für die SN (Salzburger Nachrichten) betont. Er nahm Bezug auf das diesjährige Thema des traditionsreichen katholischen Vortrags- und Diskussionstreffens; es lautet "Öffentlichkeiten". Dürnberger, Assistenzprofessor für Fundamentaltheologie und Ökumenische Theologie an der Universität Salzburg, sieht dabei im Blick auf das Verhältnis von Öffentlichkeit und Religion eine "Tendenz zum öffentlichen Bekenntnis".
Religionen und Medien würden sich dabei "wechselseitig dynamisieren". Als frühes Beispiel nannte der Theologe die Thesen von Martin Luther. Diese hätten sich 1517 nicht so "rasend schnell und erfolgreich" verbreiten können, wenn nicht Gutenberg kurz zuvor den Buchdruck mit beweglichen Lettern erfunden hätte.
Man könne sich "ziemlich sicher" sein, dass Jesus heute ein Smartphone besäße. Darauf hätte er "die Schriften des Alten Testaments und WhatsApp für Chats mit Jüngern. Oder einen Kurznachrichtendienst, den die Römer nicht entschlüsseln können. Vermutlich würde er nur selten Selfies verschicken."
Gleichzeitig sei der Glaube auch etwas Privates, Persönliches, betonte Dürnberger. Jesus "kritisiert Glauben, der sich öffentlich selbst inszeniert", denn "Glaube braucht wesentlich auch Zurückgezogenheit". Wo in den Neuen Medien, speziell Facebook und Twitter, die Grenze zwischen öffentlich und privat verschwimmt, ist die Theologie gefordert.
Selbst hat der Obmann der Hochschulwochen aber einen pragmatischen Zugang zu den Neuen Medien: "Letztlich sehe ich Neue Medien weder als Heils- noch als Unheilsbringer."
Eine "Möglichkeit zur Kommunikation" sei das Internet für das Christentum, das "auf Gemeinschaft angelegt" ist - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Es braucht, so Dürnberger, "wie überall Augenmaß und Realismus". Er weist darauf hin, dass die analoge Welt "ein gewichtiges Wörtchen mitzureden" hat. Der gebürtige Oberösterreicher benutzt für sich selbst Facebook und WhatsApp, Snapchat kennt er nicht, Instagram hat er "für etwas zu selbstreferenziell befunden". Twitter nützt er lediglich als Beobachter.
In Mobbing und Hate speech sieht er das zentrale Problem des Internets: "Das Internet vergisst nur sehr selten." Durch Verleumdung, Verletzung und Verhetzung schickt man Menschen in den "sozialen Tod". Gleichzeitig ist das Netz für ihn ein "Narzissmusverstärker": "Likes auf Instagram oder Facebook können auf der Suche nach der eigenen Großartigkeit wie Droge wirken." Das Menschliche lässt sich "auch digital nicht einfach abstellen, weder im Guten noch im Schlechten".
Besonders freut Dürnberger sich auf den Vortrag von Hartmut Rosa beim Akademischen Festakt. Der "wohl meistdiskutierte Soziologe im deutschen Sprachraum" hat eine Theorie sozialer Beschleunigung entwickelt: "Sie beschreibt, wie moderne Gesellschaften sich ständig dynamisieren - was uns vor immense Verarbeitungsaufgaben stellt." Folge ist das "erschöpfte Selbst". Als Lösung schlägt Rosa "Resonanz" vor, also "die Erfahrung, dass etwas in der Welt etwas in mir zum Schwingen bringt": "Das kann ein Sonnenuntergang am Berg sein, eine Oper - oder die Kühle einer Kirche an einem Sommertag."
Die Salzburger Hochschulwochen sind die jährliche Sommeruniversität der Universität Salzburg. Die Hochschulwochen wollen ein universitäres Forum bilden, auf dem die Theologie gemeinsam mit anderen Wissenschaften grundsätzliche und aktuelle Fragen der jeweiligen Gegenwart aufgreift. Das erste Mal wurden sie 1931 abgehalten. Ein Wegbereiter war der österreichische Bundeskanzler und Prälat Ignaz Seipel. Die Salzburger Hochschulwochen finden dieses Jahr von 31. Juli bis 6. August statt. Tickets sind an der Tageskasse zu erwerben. Informationen gibt es unter: www.salzburger-hochschulwochen.at.