Theologin: Mensch ist nicht die "Krone der Schöpfung"
Für eine neue christliche Sicht auf Schöpfung und Erlösung, in der nicht mehr nur der Menschen im Mittelpunkt steht, hat die Schweizer Theologin Franca Spies plädiert. Im Interview mit den "Salzburger Nachrichten" (Samstag) unterstrich Spies, dass in den beiden biblischen Schöpfungsberichten im Buch Genesis der Mensch viel näher an die gesamte Schöpfung heranrücke, als das in der Wirkungsgeschichte des Christentums sichtbar geworden sei. "Der Mensch ist nicht für sich da, sondern er ist ein Aspekt der Schöpfung. Diese ist als ganze gut und dient dem Leben", so die Theologin.
Geblieben sei im Bewusstsein freilich die Vorstellung vom Menschen als "Krone der Schöpfung". Die zentrale Aussage der Bibel sei aber eine andere: "Dem Menschen wird die Gottebenbildlichkeit zugesprochen. Diese Sonderrolle macht ihn nicht zum Herrscher, sondern sie unterstreicht seine Verantwortung: Gerade weil er gottebenbildlich ist, muss er für die Schöpfung Sorge tragen. "
"Gottebenbildlichkeit" meine genau nicht den Vorrang des Menschen, "sondern er soll auf der Erde die Rolle erfüllen, die Gott in seiner Schöpfung erfüllt". Nochmals anders ausgedrückt: "Der Mensch soll der Schöpfung dienen, ihrem Leben dienen."
Das Christentum brauche weniger Konzentration allein auf die Erlösung des Menschen, bekräftigte Spies: "Es geht nicht um den Menschen allein. Erlösung gibt es nur in dem Beziehungsgefüge, in dem ich als Mensch drinnen stehe. Wir müssen von der bekannten Wirkungsgeschichte der Genesis Abschied nehmen. Wir müssen ein neues Bewusstsein dafür finden, wie die Genesis auch anders verstanden werden kann."
Dazu könne man aktuell Papst Franziskus heranziehen, der in seiner viel beachteten Umweltenzyklika "Laudato si'" ausdrücklich schreibe, dass es nicht nur um das Verhältnis zwischen Mensch und Gott gehe, sondern auch um das Verhältnis zwischen Mensch und Umwelt. Das sei tatsächlich eine große Neuerung. Spies: "Nur weil es den Menschen gut geht, ist das Ziel der Schöpfung nicht erfüllt. Es ist erst erfüllt, wenn es der ganzen Welt gut geht."
Spies, Theologin an der Universität Luzern, hielt diese Woche bei den Salzburger Hochschulwochen einen Workshop ("Theologian in Residence") über "Theologie in der ökologischen Krise". Die Hochschulwochen gehen am Sonntag mit einem Festgottesdienst und einem Festvortrag von Nobelpreisträger Anton Zeilinger an der Universität Salzburg zu Ende.