Unternehmer bei Hochschulwochen: Reduktion kann Lebensqualität steigern
In der Klimakrise führt kein Weg an Reduktion und damit an Einschränkungen in Lebensstil und -qualität vorbei: Mit dieser These hat der deutsche Unternehmer Dirk Gratzel bei den Salzburger Hochschulwochen aufgeräumt. Es sei sinnlos, eine Strategie bloßer Reduktion gegen die dem Menschen eigenen Wachstumsimpulse und -imperative zu fahren. Stattdessen gelte es, den Gewinn an Lebensqualität zu betonen, den Reduktion bieten könne. "Es geht weniger um Verzicht, sondern darum, Dinge anders zu machen", so Gratzel. Sein eigener Weg, der ihn von einem traditionellen Unternehmer hin zu einem der führenden Nachhaltigkeits-Unternehmer in Deutschland geführt hat, habe ihm gezeigt, wie viel Bereicherung durch bewusste, wohlkalkulierte Reduktion und zugleich ein gesundes Wachstum möglich ist.
Es gelte, "Zukunftsperspektiven zu entwickeln, die ein Versprechen auf einen besseren Umgang mit der Welt und in Folge mit uns selbst" bieten. Damit wolle er zugleich einen "Kontrapunkt gegen die calvinistische Miesepetrigkeit in der Umweltdebatte setzen", erklärte Gratzel in seinem Vortrag am Mittwoch. Die Ökonomie mit ihren Berechnungsmethoden sei dabei kein Gegner, sondern könne ein Verbündeter sein, indem sie helfe, Ökobilanzen zu erstellen und ein Zahlenwerk zu liefern, das konkrete und zielführende Maßnahmen zur Reduktion erst ermögliche.
Als Beispiel nannte Gratzel, dessen Unternehmensgruppe "Greenzero" inzwischen Unternehmen in Deutschland und Österreich in ihren Nachhaltigkeitsstrategien begleitet und berät, die Kosten von 200 bis 500 Mrd. Euro, die Jahr für Jahr allein in Deutschland an Umweltschäden auflaufen. Würde dieses Geld in konkrete Reduktionsstrategien investiert, würde dies viele ökologische Probleme lösen und zu einer nachhaltigen Qualitätssteigerung in vielen Lebensbereichen führen.
Gratzel demonstrierte die Möglichkeiten eindrucksvoll anhand seiner eigenen Geschichte: Begonnen als privates Projekt, seine eigene Ökobilanz zu erheben, zu verbessern und rückwirkend zu kompensieren, wuchs die Idee in Gesprächen vor allem mit Unternehmer-Kollegen schließlich so weit, dass er heute mit seinen Unternehmen (u.a. dem Unternehmen "HeimatERBE") Brachflächen und Industrieflächen aufkauft, entsiegelt und renaturiert. Zudem berät er u.a. große Unternehmen bei der Produktentwicklung und Kompensation ihrer Umweltkosten. Aktuell verfolgt er u.a. mit der Unternehmerfamilie Haniel im Ruhrgebiet den Plan, einen ganzen Stadtteil von Duisburg klimaneutral umzugestalten.
Klimapsychologin: Infos über Klimawandel verändern Verhalten kaum
Über die Psychologie der Klimakrise bzw. die Frage, warum die Gesellschaft sich so schwertut, auf die Fakten und Prognosen der Klimakrise und ihrer Verschärfung angemessen zu reagieren, sprach im Anschluss die Salzburger Klimapsychologin Isabella Uhl-Hädicke. Psychologische Experimente zeigten dabei, dass "die Strategie des Wachrüttelns durch Fakten und bedrohliche Szenarien" nicht verfange - im Gegenteil: Existenzielle Bedrohungen setzten Ängste und Gefühle des Kontrollverlusts frei. Dies wiederum führe nicht zu effektiven Gegenmaßnahmen, sondern zu Abgrenzungen und dazu, die Verantwortung auf andere gesellschaftliche Gruppen abzuwälzen.
Zugespitzt formuliert bedeute dies: "Das bloße Lesen von Informationen über den Klimawandel hat keinen Einfluss auf ein klimafreundlicheres Verhalten", so Uhl-Hädicke. "Mehr noch: Es kann sogar die Bereitschaft zu klimafreundlichem Verhalten reduzieren." Es komme daher wesentlich darauf an, wie Informationen gegeben und kommuniziert werden: "Vorsicht also vor bedrohlichen Klimawandel-Informationen", so der Appell der Wissenschaftlerin in Richtung Medien. Es sei wichtig, die Informationen lebensweltlich zu erden und so bedrohliche Dinge greifbar zu machen. Dies erhöhe das Gefühl der "Selbstwirksamkeit" und setze Kräfte frei, selber aktiv zu werden.
Text und Fotos: Dr. Henning Klingen