Ethikerin Buyx: "Kirche muss gute Geschichten über Reduktion erzählen"
Soll die notwendige soziale und ökologische Transformation gelingen, vor der die Gesellschaft steht, so braucht es Institutionen, die "gute Geschichten der Reduktion erzählen" - Institutionen, zu denen ganz zentral auch die christlichen Kirchen gehören. Das hat die Münchner Ethikerin und Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Prof. Alena Buyx, bei einem Vortrag am Dienstag in Salzburg betont. Es mangle weniger an der Einsicht, dass es tatsächlich eine Einschränkung und Reduktion in vielen Bereichen brauche, als vielmehr an einem Narrativ, das aufzeigt, dass Reduktion auch mit einem Mehr an Lebensqualität, Gesundheit und Wohlbefinden einhergeht.
Die "moralische Intuition", dass die westliche Art zu leben gesundheitsschädlich und zerstörerisch ist, sei weit verbreitet - es fehle jedoch noch an Geschichten, die den notwendigen Umbau erklären: "Wir brauchen dringend diese guten Geschichten, sonst fliegt uns hier alles um die Ohren, sonst gibt es immer mehr Polarisierungen, Unverständnis und Reduktion erscheint nicht als eine Idee guten Lebens, sondern als etwas Bedrohliches. Und das können wir uns schlichtweg nicht mehr leisten", so Buyx. Der Vortrag fand im Rahmen der Salzburger Hochschulwochen statt, die heuer unter dem Titel "Reduktion. Warum wir mehr Weniger brauchen" stehen und noch bis 6. August dauern.
Tatsächlich gebe es eine erstaunliche "Forschungslücke" in der Ethik und Philosophie im Blick auf das Thema Reduktion, führte Buyx weiter aus. In ethischen Theorien spiele die Idee eher am Rande eine Rolle - etwa im Bereich der Umweltethik, der Medizinethik oder der Ökonomie und der Sozialwissenschaften. "Wir haben offenbar keine gute Theorie des Weniger. Aber wir sind überzeugt: Wir müssen weniger machen, müssen als plurale Wachstumsgesellschaften raus aus der Wachstumsspirale."
Langenfeld: Weniger Diskursblockaden, mehr Wertschätzung und Vertrauen
In Fortsetzung seines Hochschulwochen-Vortrags vom Vortag plädierte der Paderborner Fundamentaltheologe Prof. Aaron Langenfeld am Dienstag dafür, das kirchliche Selbstverständnis in der modernen Gesellschaft zu überprüfen und zu korrigieren. Auf die Frage, wozu es die Kirche eigentlich noch brauche, würden schließlich viele Menschen keine Antwort mehr geben können: es brauche sie weder für die Bewältigung des Alltags, noch für partielle Erfahrungen gelingenden Lebens.
Suche die Kirche angesichts dessen nach neuer individueller wie gesellschaftlicher Relevanz, so könnte diese etwa darin liegen, dass sie die "Idee guten, erfüllten Lebens" als ein Leben in Beziehung und aus Beziehung zum nächsten wachhält, den anhaltenden "gesellschaftlichen Erosionen" und "Diskursblockaden" durch eine neue "Kultur des Vertrauens" entgegentritt und für die Wertschätzung des Gegenübers eintritt, "selbst dort und dann, wenn diese Person eine andere Meinung vertritt als ich".
Gewiss sei dies ein "langwieriger", aber zugleich "unausweichlicher Prozess", den die Kirche zunächst intern gehen müsse, bevor sie nach außen damit wieder Glaubwürdigkeit erlangen kann, räumte der Theologe ein. "Verstehen und würdigen, was dem anderen wichtig ist: Das wäre der Weg, den wir als Kirche gehen müssen. Nach innen wie nach außen."
Text und Fotos: Dr. Henning Klingen