Theologe: Kirchliche Reduktion schaffen, ohne Wesenskern zu verraten
Wie kann eine unausweichliche Reduktion auch im kirchlichen Bereich gelingen, ohne den Wesenskern des Christentums - etwa sein Beharren auf Vielfalt - zu verraten? Dieser Frage ging der Paderborner Theologe Prof. Aaron Langenfeld in seinem theologischen Eröffnungsvortrag der heurigen Salzburger Hochschulwochen am Montag nach. Aus dem christlichen Anspruch, Welt nicht als Gegenüber oder "Versuchungsort" zu verstehen, sondern als Ort der Erkenntnis und Erfahrung Gottes, folge zugleich, dass jede Reduktion im kirchlichen Bereich sich der Frage stellen müsse, was gegeben sein muss, um diese Erfahrung weiterhin zu ermöglichen.
Konkret brauche es etwa ein "Weniger" an großflächigen Strukturlösungen für "mikrologische Probleme", so der Theologe; zudem brauche es "weniger Antworten auf Fragen, die niemand mehr stellt", es brauche weniger "Identitätspolitik und Diskursblockaden" und ein Mehr an "Zuhören auf das, was wirklich gefragt wird" sowie ein Mehr an Gespräch unter den sich gleichsam unversöhnlich gegenüberstehenden Gruppierungen in der Kirche. Nur so könne Vertrauen neu gewonnen werden.
Ethikerin: Suche nach gemeinsamen Lösungen wichtiger denn je
Die Münchner Ethikerin und Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Prof. Alena Buyx, betonte im zweiten Vortrag des ersten Hochschulwochen-Tages die Bedeutung gemeinsamer, interdisziplinärer Ansätze in der Ethik bzw. der Ethikberatung. "Gerade in Zeiten wie diesen ist eine Zusammenführung unterschiedlicher Überzeugungen zur gemeinsamen Lösung von ethischen Fragen wichtig." Nur so könne einer grassierenden Wissenschaftsskepsis, Verschwörungstheorien sowie polarisierten Debatten entgegengetreten werden, zeigte sich Buyx überzeugt.
In ihrem Vortrag zum Thema "Was ist Ethik?" skizzierte Buyx die Unterschiede zwischen Ethik und Moral bzw. zwischen verschiedenen Ethiktheorie-Familien. Sie selber favorisiere angesichts des Patts zwischen teils rivalisierenden Theorien die angewandte Ethik, sprich: Sie konzentriere sich in der Ethikberatung auf die Lösung konkreter Probleme und ihrer Folgen. Anhand praktischer Beispiele aus ihrem Beratungsalltag zeigte Buyx auf, wie (rechts)ethische Grundprinzipien (Menschenwürde, Freiheit und Selbstbestimmung, Schadensvermeidung, Wohltätigkeit, Gerechtigkeit, Solidarität, Verantwortung) in der Praxis Anwendung finden bzw. sich in Konfliktfällen wie der Medizinethik, der Forschungsethikberatung oder der Politikberatung bewähren müssen.
Die Salzburger Hochschulwochen, die noch bis 6. August dauern, stehen heuer unter dem Motto "Reduktion! Warum wir mehr Weniger brauchen". Neben Vorträgen und Workshops gehören auch die Verleihung des "Theologischen Preises" für ein Lebenswerk sowie die Verleihung des "Publikumspreises" zu den Höhepunkten der Woche. Der "Theologische Preis" wird am Mittwoch (2. August) an die evangelische Theologin Susanne Heine verliehen. Den Abschluss der Hochschulwochen bildet am Sonntag (6. August) ein Festvortrag des Physik-Nobelpreisträgers Anton Zeilinger.
Text und Fotos: Dr. Henning Klingen