Publikumspreis an Freiburger Theologin verliehen
Salzburg, 04.08.2022
Der "Publikumspreis" der "Salzburger Hochschulwochen" geht heuer an die Freiburger Theologin Anne-Kathrin Fischbach. Der mit 1.000 Euro dotierte Förderpreis für Nachwuchswissenschaftler wurde am Donnerstagnachmittag in Salzburg vergeben. Er ist nach dem "Theologischen Preis" die zweite Auszeichnung, die im Rahmen der Hochschulwochen vergeben wird. Würdigt der "Theologische Preis" ein Lebenswerk, so versteht sich der "Publikumspreis" als Förderpreis für Nachwuchswissenschaftler der Jahrgänge 1987 und jünger.
Eine Fachjury hatte im Vorfeld aus den Einreichungen drei anonymisierte Vorträge ausgewählt. Die Zuhörer hatten dann die Möglichkeit, die Vorträge nach fachwissenschaftlicher Qualität, inhaltlicher Originalität sowie im Blick auf die kommunikative Transferleistung zu bewerten. Der mit 500 Euro dotierte zweite Preis ging an den Bamberger Literaturwissenschaftler Niklas Schmitt; der mit 300 Euro dotierte dritte Preis ging an die Salzburger Theologin Elisabeth Höftberger.
Glaube als "Basecamp" der Wissensgesellschaft
Fischbach formulierte in ihrem Vortrag ein "Lob aufs Rumraten" und ein Plädoyer für ein Verständnis des Glaubens als "Basecamp" der Freiheit des Denkens. In einem Rekurs auf den Philosophen Charles Sanders Peirce zeigte Fischbach auf, dass Weiterentwicklung und Innovation nicht aus bloßen Deduktionen (Ableitungen) hervorgehen, sondern aus einem Verfahren des "Rumratens", der "Abduktion". Während klassische deduktive Verfahren in den Bahnen klassischer Logik verblieben, sei es die Abduktion, die helfe, Denkverbote zu durchbrechen und so neues Wissen überhaupt erst möglich zu machen. Notwendig sei dies, so Fischbach, weil "uns die Phantasie abhanden gekommen zu sein scheint", die indes für die Lösung der großen Probleme der Gegenwart dringend benötigt werde.
Es brauche daher geschützte Räume des Nachdenkens und der Kreativität. Diese könne die Theologie bieten - etwa in Form einer Rückbesinnung auf eine Kern-Einsicht der Reformation, nämlich die Freiheit des aus seinem Glauben allein gerechtfertigten Christen. Diese religiöse Überzeugung und die Hoffnung auf einen rettenden Gott schaffe Freiraum für neues, frisches Denken, so Fischbach. "Wahrhaft Neues, vor allem neues Wissen, entsteht aus Hoffnung auf Selbsttranszendierung, es entsteht aus echter Neugier daran, was sein könnte."
Der zweitplatzierte Bamberger Literaturwissenschaftler Niklas Schmitt zeigte in einem Vergleich der Narrative, die der russische Präsident Wladimir Putin und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in den digitalen Medien bedienen, auf, wie stark Geschichten und Narrative jenseits des bloßen Wissens Gesellschaften beeinflussen. Während Putin sich in der Bildsprache etwa einer Dokumentation wie eine Erlöserfigur bzw. ein Actionheld inszeniere, spiele Selenskyj geschickt mit den Möglichkeiten, die die digitalen Medien bieten - von der Satire über die Selfie-Video-Ästhetik bis hin zu einer "Cyborg"-Existenz, die an James Bond-Filme erinnere, so Schmitt. Weil Selenskyj dabei "vor Ort ist und von dort mit den medialen Mitteln einer digitalisierten Welt mit der weltweiten gesellschaftlichen Wirklichkeit kommuniziert", mache er sich von jenen "totalitären Strukturen einer linearen Propaganda frei", von denen Putin noch voll und ganz gefangen sei.
Die Salzburger Theologin Elisabeth Höftberger plädierte in ihrem Vortrag für einen kritischen Blick auf die Geschichte wissenschaftlicher Debatten: Eine Wissensgesellschaft benötige einen solchen kritischen Blick, um immer wieder den eigenen Standpunkt infrage zu stellen. Gerade eine "faktenbasierte Weltsicht" könne insofern von der Theologie lernen, als diese sich "dialogsensibel" immer wieder an den vielen Perspektiven und Standpunkten abarbeiten muss, die ihr die Tradition bieten. Demonstrieren konnte Höftberger dieses Prinzip im Blick auf die Haltung der Kirche zum Judentum, die sich durch kritische Reflexionen nachhaltig verändert habe.
Biografische Notizen
Anne-Kathrin Fischbach, geboren 1992 in Gütersloh, ist Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Dogmatik der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Dort arbeitet sie gegenwärtig an ihrer Promotion. Elisabeth Höftberger wurde 1991 in Bad Ischl geboren. Sie studierte katholische Fachtheologie und Lehramt Deutsch/kath. Religion an der Universität Salzburg. 2022 promovierte sie dort. Seither ist sie als Postdoc Mitarbeiterin im Forschungsprojekt "European Graduate School: Theology in religious, cultural, and political Processes of Transformation". Niklas Schmitt schließlich wurde 1987 in Trier geboren. Er studierte Deutsche Philologie und Philosophie in Heidelberg sowie in Bamberg Literaturwissenschaft und Literaturvermittlung. Aktuell promoviert er im Fach Neuere deutsche Literaturwissenschaft der Otto-Friedrich-Universität Bamberg zu Hass in den Werken von Thomas Bernhard, Rolf Dieter Brinkmann und Rainald Goetz.
Text & Foto: Dr. Henning Klingen